Per Couch-Sailing zum WM-Titel

In Sarasota wurde die erste eSailing-WM im November 2018 gesegelt. Rechts: Weltmeister “L1” aus Frankreich. Foto: Caroline & Evan Photography

World Sailing startet den Angriff auf die Wohnzimmer. Nach dem Erfolg der ersten eSailing Weltmeisterschaft im vergangenen November soll das Programm nun ausgeweitet werden, um Hunderttausende Spieler anzulocken. Der Startschuss zur neuen Computer-Segelsaison wurde auf der boot gegeben.

Andere Sportarten haben es vorgemacht, das IOC ist auf den Zug aufgesprungen, und auch World Sailing will sich einem weltweiten Trend nicht entziehen. eSports entwickelt sich zu einem riesigen Markt, durch den zusätzliche Einnahmen und große Aufmerksamkeit generiert werden können. Die Stars des eSoccer stehen in ihrer Bekanntheit – zumindest in ihren Kreisen – der Popularität der Athleten kaum noch etwas nach. Und die Entscheidungen von Weltmeisterschaften sind mediale Massenevents.

Auch der Segelsport schneidet sich von dem eKuchen ein Stückchen ab. Die professionellen Weltrennen Vendée Globe und Volvo Ocean Race haben es geschafft, Zehntausende Fans mit den virtuellen Regatten zu einem Teil des Geschehens zu machen und dadurch neue Einnahmequellen sprudeln zu lassen. Wer seine eigene Kampagne via Laptop oder Tablet im Kielwasser der realen Teams um die Welt schicken wollte, der musste nicht nur nachts den Wecker stellen, um rechtzeitig das Manöver im Southern Ocean zu setzen, sondern auch immer mal wieder in die Tasche greifen. In-App-Käufe ermöglichten eine frische Politur für das Unterwasser-Schiff oder einen neuen Satz Segel, um sich die entscheidenden Minuten von der weltweiten Konkurrenz abzusetzen.

Seit Mai 2018 ist auch World Sailing mit im Spiel, hat gemeinsam mit dem Spiele-Entwickler Virtual Regatta eine Inshore Version des eSailings an den Start gebracht. Unter anderem wurde zur Kieler Woche oder auch in Aarhus gesegelt. Innerhalb eines halben Jahres bestritten 169.000 Spieler aus 74 Nationen eine Regatta. Die Top-Acht der Saison traten schließlich im November in Sarasota/USA zur ersten Weltmeisterschaft an. Spieler „L1“ aus Frankreich, auch im wahren Leben ehemals ein Spitzensegler, holte sich den Premierentitel.

Anziehungspunkt für neues Segel-Publikum

2019 soll nun alles noch größer werden. Die Saison wurde zur boot gestartet und wird acht Monate dauern. Für die Spieler gibt es im Spiel eine Plattform zum sozialen Austausch, ein neues Wettbewerbsformat, nationale Meisterschaften sowie weitere Live-Events. Und der neue Weltmeister streicht eine Siegprämie von 10.000 US-Dollar ein. Dabei wird das Spiel nun kostenlos. In-App-Käufe zur Verbesserung der eigenen Performance soll es nicht geben, denn World Sailing will eine absolute Chancengleichheit durch die Virtual Racing Rules of Sailing herstellen. Lediglich das taktische Vermögen und die Reaktion auf die Wind- und Wetterverhältnisse sollen über Sieg und Niederlage entscheiden. Das Live-Finale wird am 20. Oktober in Bermuda im Rahmen der Jahresversammlung von World Sailing gesegelt.

Auf dem Weg nach Bermuda folgen die eSailing-Regatten dem Weg der olympischen Segler mit Stationen zu den Worldcups, aber auch Regatten wie der Kieler Woche oder nationalen Meisterschaften. Über ein Rankingsystem kann man sich für die Play-Offs in vier Saisonabschnitten qualifizieren. Die Top-Zehn gehen schließlich in das Finale.

Andy Hunt (rechts) und Philippe Guigné stellten die neue WM-Saison in Düsseldorf vor. Foto: regatta-online.org

Andy Hunt, CEO von World Sailing, sagte in Düsseldorf, dass er großes Potenzial für den Segelsport in Virtual Regatta sehe: „Zehntausende Spieler des vergangenen Jahres haben ohne Segelerfahrung mitgespielt und wollen es zum Teil auch in der Realität ausprobieren. Das Potenzial ist riesig, denn Millionen Menschen weltweit sind Segelfans ohne selbst Segler zu sein und haben so die Chance, an einer Regatta teilzunehmen.“ Die Zahlen, wie viele nach dem eSailing auch auf ein reales Boot gestiegen sind, sind allerdings nicht bekannt. Die Idee, in Zukunft über eSport an Olympia teilnehmen zu können, sei faszinierend, so Hunt. Auf jeden Fall sei es eine Chance, neue Publikumsschichten zu akquirieren.

Gespielt werden kann jederzeit. Sobald sich ausreichend Segler im Startgebiet eingefunden haben, beginnt die Startsequenz. Als Bootsklassen stehen derzeit die J/70, der 49er oder der Nacra17 zur Verfügung. Weitere Boote sollen im Laufe des Jahres dazukommen. Auch die Austragungsorte (derzeit sind acht Reviere verfügbar) sollen zahlreicher und noch besser an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden.

Taktik-Training auf für reale Regatten

Philippe Guigné, Gründer und CEO von Virtual Regatta, sagte in Düsseldorf: „Ich bin selbst J/70-Segler und wollte gern mehr segeln. Jetzt kann ich es jederzeit. Innerhalb von fünf Minuten ist man startklar.“ Durch das Spiel habe er seine taktischen Fähigkeiten auch für das reale Geschehen verbessert, sagte Guigné.

Allerdings sind dem Segelspaß am Rechner Grenzen gesetzt. Gefordert ist vor allem taktisches Verständnis und der Umgang mit dem Wind. Auf die Strömung in einem Revier hat das Spiel keine Rücksicht genommen – aus Darstellungsgründen, da sich Pfeile für Wind und Strömung zu sehr überlagern würden. Und auch den Trimm an den Booten kann man nicht verändern. Kenterungen und Kollisionen sind ebenso ausgeschlossen. Penaltys wegen Regelverletzungen gibt es allerdings. In dem Fall wird die Geschwindigkeit des Bootes für zehn Sekunden auf die Hälfte gedrosselt.

Spielbar ist Virtual Regatta auf allen Plattformen – sei es Laptop, Tablet oder Mobile Phone (DOS, IOS oder MAC) – nicht jedoch auf Konsolen.

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